
1 Haben Sie eine besondere Erinnerung an die ILA Berlin und was sind Ihre persönlichen Erwartungen an die #ILA22?
Die #ILA22 ist meine allererste ILA, daher komme ich voller Vorfreude und Erwartungen! Vor allem nach den beiden Covid-Jahren, in denen ein solches Treffen der gesamten Luft- und Raumfahrtbranche unmöglich war.
Ich freue mich sehr auf dieses Zusammenkommen und auf den Austausch über die Zukunft der Luft- und Raumfahrt. Die ILA wird eine großartige Gelegenheit sein, langjährige Freunde und Kollegen zu treffen, aber auch neue kennenzulernen und ihre Standpunkte zu hören!
2 Sehen Sie persönlich derzeit einen wichtigen Trend in der Luft- und Raumfahrt?
Nachhaltigkeit ist mit Abstand das wichtigste Thema in der Branche. Wir stehen sogar kurz vor einer echten Revolution mit Blick auf die Klimaneutralität:
Es reicht nicht mehr aus, die bestehenden Produkte zu optimieren. Wir müssen ein Flugzeug entwickeln, das die Umwelt nicht belastet, ein Null-Emissions-Flugzeug, das völlig neue Herausforderungen hinsichtlich Technologien, Design und das damit verbundene Ökosystem erfüllt. Neben Flugzeugen und Hubschraubern gehören dazu auch Konzepte der Urban Air Mobility, der individuellen städtischen Luftverkehrsmobilität. Sie werden die Rolle des Fliegens in urbanen Räumen komplett verändern.
Diese Ziele sind ehrgeizig, aber erreichbar! Der Wandel beginnt jetzt! Das macht die Luft- und Raumfahrtindustrie zu einem so spannenden Arbeitsplatz: Wir entwickeln bahnbrechende Technologien und bringen sie zum Fliegen, um eine nachhaltige Luft- und Raumfahrt für eine sichere und vereinte Welt zu ermöglichen!
3 Welchen konkreten Beitrag leistet Airbus zu Nachhaltigkeit, Innovationen oder neuen Technologien?
Wir nutzen die Hebel, die uns zur Verfügung stehen, um die Emissionen unserer Produkte zu senken, und streben emissionsfreie Flugzeuge an. Was bedeutet das?
Erstens verbessern wir kontinuierlich unsere Produkte und entwickeln neue, die weniger Energie benötigen. Der A321XLR, der im Juni 2022 seinen Erstflug absolvierte, hat beispielsweise einen um 30% geringeren Treibstoffverbrauch pro Sitz als die Vorgängergeneration. Das ist nicht wenig.
Um den Energiebedarf unserer Produkte weiter zu reduzieren, optimieren wir die Art und Weise, wie sie fliegen. Dabei helfen uns Lösungen für das Luftverkehrsmanagement und der automatisierten Flugverkehrssteuerung.
Und nicht zuletzt treiben wir sie mit saubereren Energiequellen an.
SAF (Sustainable Aviation Fuels) beispielsweise können die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus um bis zu 85% reduzieren. Heute sind alle unsere Verkehrsflugzeuge für den Betrieb mit einer bis zu 50%-Mischung aus SAF und Kerosin zugelassen. Bis zum Ende des Jahrzehnts werden alle unsere Verkehrsflugzeuge für den Betrieb mit 100% SAF zertifiziert sein. Dies gilt auch für unsere Hubschrauber, für die wir ebenfalls Zertifizierungskampagnen begonnen haben. Sogar unsere Militärflugzeuge werden mit SAF getestet werden.
Flugzeuge, die mit Strom fliegen, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wurde, stoßen keine CO2-Emissionen aus. Dies ist bei CityAirbus Next Gen der Fall: Nach dem erfolgreichen Abschluss der Demonstrationsphase ist der Erstflug unseres Prototyps für 2023 geplant!
Wasserstoff ist eine sehr vielversprechende Technologie, die uns - wiederum in Verbindung mit erneuerbaren Energien - helfen würde, emissionsfrei zu werden. Unser Ziel ist es, ein solches Flugzeug bis 2035 auf den Markt zu bringen, und die entsprechenden Technologien werden bereits heute entwickelt. Im vergangenen Februar haben wir beispielsweise einen Demonstrator gestartet, um neue Wasserstoffverbrennungstechnologien am Boden und im Flug zu testen.
4 Was war die beste Entscheidung, die Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn getroffen haben? Welchen Rat würden Sie der jüngeren Generation geben, wenn es darum geht, eine Karriere in der Luft- und Raumfahrt zu wählen?
Die beste Entscheidung, die ich getroffen habe, war, meinen ursprünglichen Fokus auf die Automobilindustrie zu verlassen und mich der Luft- und Raumfahrt zuzuwenden. In diesem Bereich gibt es viele Herausforderungen zu bewältigen und unbekannte Aspekte zu entdecken! Für mich als Maschinenbauingenieurin hat die Luft- und Raumfahrtindustrie immer das bestmögliche Umfeld geboten, um jeden Tag zu wachsen, kreativ zu werden, um komplexe Rätsel zu lösen und sie schließlich in die Luft zu bringen.
Daher lautet mein Rat an die jüngere Generation: Wagen Sie es! Gehen Sie den Schritt in die Luft- und Raumfahrtindustrie. Sie hat eine Menge Potenzial zu bieten! Unsere Branche erlebt gerade eine Revolution, den Übergang zur Klimaneutralität - Sie können dabei sein und die Zukunft gestalten! Der beste und spannendste Zeitpunkt für einen Einstieg ist also jetzt.
Außerdem braucht unsere Branche alle Hände und klugen Köpfe, um in die Ära des emissionsfreien Fliegens abzuheben – kommen Sie an Bord und machen Sie mit!
5 Wenn Sie eine berühmte Persönlichkeit aus der Luft- und Raumfahrt treffen könnten - heute oder in der Vergangenheit: Wer würde das sein und warum?
Melitta Gräfin Stauffenberg ist jemand, mit dem ich mich gerne unterhalten würde! Sie war in den 1920er und 1930er Jahren eine der ersten Ingenieur-Testpilotinnen überhaupt. Nach ihrem Studium der Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaften, in dem sie sich schließlich auf Luftfahrttechnik spezialisierte, begann sie 1928 bei der Deutschen Versuchsanstalt Luftfahrt zu arbeiten. Insgesamt absolvierte sie über 2.500 Testflüge - hauptsächlich zur Überprüfung ihrer eigenen Konstruktionsarbeit.
Einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeit führte sie unter dem Nazi-Regime und während des Zweiten Weltkriegs aus (ihre Schwager wurden wegen eines Mordkomplotts gegen Adolf Hitler hingerichtet). Ich bin sicher, dass sie aufgrund ihres Charakters, ihres Fachwissens und ihrer Erfahrungen in den frühen Jahren der Luftfahrt mit ihrer Pionierarbeit und ihren bahnbrechenden Innovationen einige sehr wertvolle Ratschläge für uns hätte, wie wir die heutige Revolution in der Luft- und Raumfahrt angehen können.