
1 Haben Sie eine besondere persönliche Erinnerung an die ILA?
Meine erste ILA 2002 wird mir immer lebhaft in Erinnerung bleiben: Dort habe ich den Demonstrator "DA-1" des Eurofighters - das allererste Flugzeug, an dem ich je gearbeitet habe - zum ersten Mal im Flug gesehen.
Später hatte ich das Glück, einen der Piloten dieses Fluges - Chris Worning, ein außergewöhnlicher dänischer Testpilot - als Kollegen bei Airbus auch persönlich kennen zu lernen. Zudem hatte ich das große Vergnügen, im vergangenen April selbst in einem Eurofighter Typhoon mitzufliegen. Ein wirklich atemberaubendes Erlebnis: Was für eine Power! Und bei Rolls-Royce arbeiten wir an den Triebwerken mit.
Heute, 20 Jahre später, bin ich noch immer genauso so fasziniert diesem Flugzeug, das mich über den Großteil meiner Karriere in der Luft- und Raumfahrt hinweg begleitet hat.
2 Was sind die größten Chancen und Herausforderungen, denen die Luft- und Raumfahrtindustrie heute gegenübersteht?
Nachhaltigkeit ist sowohl eine große Herausforderung als auch eine große Chance für die Luftfahrtindustrie!
Der Schutz unseres Klimas und unserer Umwelt ist das Fundament, auf dem wir die Zukunft der Luftfahrt aufbauen. Das gilt sowohl im ökologischen als auch im ökonomischen Sinne.
Bereits heute haben rund 180 Staaten das Pariser Klimaschutz-Abkommen ratifiziert und sich verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Da diese Staaten sehr konkrete Maßnahmen ergreifen, um diese Ziele zu erreichen, ist auch für Unternehmen klar: Wer Teil des Problems ist, wird es zunehmend schwer haben. Teil der Lösung zu sein birgt hingegen auch wirtschaftliche Chancen.
Wir haben also nicht nur einen gesellschaftlichen und ökologischen Handlungsdruck, sondern auch die Möglichkeit, eine der größten technologischen und wirtschaftlichen Chancen unserer Zeit zu ergreifen.
3 Welchen konkreten Beitrag leistet Rolls-Royce zu Nachhaltigkeit, Innovationen oder neuen Technologien?
Bei Rolls-Royce betrachten wir diese Herausforderung aus der Perspektive des Gesamtsystems. Daher entwickeln wir vernetzte Lösungen für die Erzeugung, Speicherung und Verteilung von sauberer Energie. Für die Luftfahrt haben wir klare Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 definiert:
Erstens haben wir uns verpflichtet, die Effizienz unserer Gasturbinen schrittweise zu verbessern. Beispielsweise werden unsere UltraFan-Technologien im Vergleich zur ersten Generation der Trent-Triebwerke 25 Prozent Kraftstoff einsparen.
Zweitens setzen wir uns für die Demonstration und Einführung nachhaltiger Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels - SAF) ein. Heute sind Triebwerke nur für den Betrieb mit einer Kraftstoffmischung mit einem SAF-Anteil von maximal 50 Prozent zugelassen. Bis zum nächsten Jahr werden alle unsere zivilen Flugzeugtriebwerke für den Betrieb mit 100 Prozent SAF geeignet sein - und wir streben offizielle Zertifizierungen für vollständige SAF-Flüge an.
Und schließlich entwickeln wir Technologien der dritten Generation, wie Wasserstoff- und Elektroantriebe. Wir haben bereits erste Ergebnisse in der Luft: Im November 2021 hat uns unsere `Spirit of Innovation', das schnellste vollelektrische Flugzeug der Welt, einen ersten Eindruck gegeben, welche Möglichkeiten die Zukunft bietet. Bei diesem Projekt konnten wir unser unübertroffenes Know-how in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Elektrotechnik nutzen. So haben wir bereits bemerkenswerte Durchbrüche erzielt auf unserem Weg, vollelektrische Flüge Wirklichkeit werden zu lassen!
4 Was ist die beste Entscheidung, die Sie in Ihrer Karriere getroffen haben? Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die über eine Karriere in der Luft- und Raumfahrt nachdenken?
Die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, war der Versuch, eine dezidierte Haltung einzunehmen: Nämlich immer den nächsten Schritt zu wagen und niemals aufzugeben.
Das begann mit der Entscheidung, Flugzeugbau zu studieren, nachdem mir die italienische Luftwaffe damals mitgeteilt hatte, dass sie keine Pilotinnen ausbilden würde. Das ging weiter mit dem Umstand, dass ich in fast jedem meiner Jobs die erste Frau war. Und natürlich musste ich, um meiner großen Leidenschaft für Flugzeuge nachzugehen, auch immer offen dafür sein, im Ausland zu leben und zu arbeiten – in Deutschland, Frankreich und jetzt in Großbritannien. Aber ich habe es nie bereut, den Mut aufgebracht zu haben, eine neue Herausforderung anzunehmen.
Das ist auch der wichtigste Rat, den ich jungen Menschen geben würde: Folgt Eurer Leidenschaft! Denn wenn Ihr liebt, was Ihr tut, werdet Ihr mit großer Wahrscheinlichkeit auch sehr gut darin werden.
Und wenn Eure Leidenschaft die Luft- und Raumfahrt ist, dann ist jetzt der beste Zeitpunkt, um in unsere Branche einzusteigen! Wir stehen vor großen Herausforderungen, um unsere Industrie zukunftsfähig und nachhaltig zu machen. Das gibt uns die Möglichkeit, als Ingenieur*innen kreativ zu werden und mit den besten und vielfältigsten Teams aus den verschiedensten Bereichen zusammenzuarbeiten.
5 Wenn Sie eine berühmte Persönlichkeit der Luft- und Raumfahrt treffen könnten – aus Gegenwart oder Vergangenheit: Wer wäre es und wieso?
Ich komme aus Mailand, also wäre das definitiv Leonardo da Vinci! Er war ein wahrer Visionär, der schon Jahrhunderte vor dem ersten Flugzeug Fluggeräte entwarf!
Und er ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Kreativität Kunst und Ingenieurskunst miteinander verbindet. Mit seinem ganzheitlichen und vielseitigen Ansatz erreichte er nicht nur ein unglaubliches Maß an meisterlichem Können in beiden Bereichen, sondern brachte sie auch zusammen.
Ich würde sehr gerne mit ihm über die Herausforderungen sprechen, mit denen wir heute in der Luftfahrt konfrontiert sind - er hätte sicher einige wertvolle Ratschläge und unerwartete Ideen!